Medialer Lärm

Manfred Rommel, der leider verstorbene langjährige CDU Oberbürgermeister von Stuttgart, schrieb 1993 in einem Buch:  „In unserer lärmenden Welt wird, wer leise spricht, nicht gehört.“ Damals nutzten gerade mal 0,5 Prozent der Deutschen das für sie neue Medium „Internet“ und 130.000 Teilnehmer waren mit den ersten „Handys“ im D1 Netz erreichbar. Es gab noch keine „Fake News“ und Falschmeldungen, die Empörung hervorriefen, wurden eine Woche später durch eine „Gegendarstellung“ korrigiert. Meinungsroboter, sogenannte „Social Bots“ oder „Hate Speech“ waren unbekannt, weil die sogenannten „Sozialen“ Netzwerke wie „Facebook“  erst seit 2004 existierten. 

Heute sind diese Phänomene Teil unseres Alltags und der mediale Lärm, den sie erzeugen, überlagert zunehmend die leisen Töne der Medien, die sich bemühen  Hintergründe zu erläutern und durch Einordnung Orientierung zu  bieten.

Was tun, wenn jemand glaubt, dass Impfungen Autismus erzeugen, das eigene Land zum Spielball geheimer Medienmächte geworden ist oder aber es sich beim Klimawandel um eine Erfindung handelt? 

Wem soll man noch glauben? Welche Quelle lässt sich überhaupt noch verifizieren, wenn russische Hacker oder bezahlte Trolle die neuesten Horrorstorys in die eigene Timeline spülen? Je mehr – womöglich widersprüchliche, in der Summe jedoch beunruhigende – Informationen auf Menschen einprasseln, desto größer ist die Chance effektiver Desinformation, weil man sich irgendwann unvermeidlich nach der Ruhebank fester Wahrheiten und klarer Orientierungen sehnt.  

Hinzugekommen ist seit einiger Zeit der Eindruck, dass manche Journalistinnen und Journalisten, selbst aus öffentlich-rechtlichen Anstalten, regelmäßig dazu antreten, Menschen zu erziehen, anstatt zu berichten. Entscheidend ist dann nicht, was stimmt, sondern was in ein bestimmtes Weltbild passt. Im Gegenwartsjournalismus existieren inneren Schwächen, die zu einem Vertrauensverlust zwischen Bürgern und Medien geführt haben. 

In den entscheidenden Wochen mit der für unser Land so wichtigen Bundestagswahl vor Augen ist es geradezu überlebenswichtig, sich die Existenz und Wirkung dieser allgemeinen informationellen Verunsicherung vor Augen zu führen, zu widerstehen, sie zum eigenen Vorteil zu nutzen und ihr stattdessen entschieden entgegenzuwirken!

Es sind die Populisten von links und rechts, die Hetzer auf beiden Seiten, die diese fortdauernde mediale Überforderung für ihre Zwecke und auf Kosten unserer demokratisch gefestigten Grundsätze ausschlachten wollen. Mit Blick auf diese Entwicklung und einem kleinen Seitenblick auf so manche Vorschläge und Vorhaben der politischen Mitbewerber von B90/Die Grünen möchte ich Manfred Rommel zum Schluss noch einmal zu Wort kommen lassen: „Zu den schönsten menschlichen Tätigkeiten gehört es, anderen sagen zu dürfen, was richtig ist, ohne dies selbst tun zu müssen.“

(“Löttgen parlamentarischer Nachschlag!”, erschienen im CDU Magazin “Bei uns in NRW”, Ausgabe 02/2021)